Sehnsucht nach Gerechtigkeit
„Das ist unfair!“ Nicht nur Kinder sind über Ungerechtigkeit erbost. Doch was ist gerecht? Alle gleich zu behandeln oder die Anlagen jedes Einzelnen zu berücksichtigen? Eltern von unterschiedlichen Kindern wissen, dass eine Gleichbehandlung auch ungerecht sein kann.Und Gott – ist Gott gerecht? Dass es denen, die gut handeln, nicht immer gut ergeht, das haben schon die Menschen zur Zeit des Predigers schmerzhaft erfahren. „Gottes Gerechtigkeit ist Güte“, stellt der Sonntag Septuagesimae dem entgegen. Der Weinbergbesitzer, der allen, auch den letzten Arbeitern den gleichen Lohn auszahlt; Jesus, der ausgerechnet mit einem Zöllner zu Tisch sitzt; Gott, der sich nicht von Stärke und Reichtum beeindrucken lässt, sondern ihnen Recht und seine Gerechtigkeit entgegensetzt. Diejenigen, die sich von dieser Gerechtigkeit anstecken lassen, die ruft Jesus in seine Nachfolge. Die versuchen wie Paulus, nicht auf ihr eigenes Recht zu pochen, sondern immer wieder den anderen nach ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie wissen, dass das aus eigener Kraft nicht möglich ist, aber Gott immer wieder das „Wollen und Vollbringen“ schenkt.
Viele Menschen haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Man kann es sensibilisieren, aber auch zum Verstummen bringen. Es reicht schon, sich die Fragen zu stellen: Was bringt mich eigentlich noch in Unruhe? Wo empöre ich mich über Ungerechtigkeit? – Und dann ehrlich darauf zu antworten.
Das kann Menschen und Situationen wieder in Erinnerung rufen, die sonst zu rasch in Vergessenheit geraten würden. Wir sensibilisieren uns, wenn wir diese Momente im Kopf behalten und uns auch daran erinnern, wie wir darauf reagiert oder eben nicht reagiert haben. Das kann unbequem sein. Aber vielleicht kann es uns dabei helfen, eine Strategie zu entwickeln, wie wir beim nächsten Mal unser Gerechtigkeitsgefühl besser wahrnehmen – und danach handeln können.
Die Choralkantate basiert auf Paul Gerhardts Lied „Ich hab in Gottes Herz und Sinn“, das Anklänge an das ältere Trostlied „Was mein Gott will, das gescheh’ allzeit“ aufweist. Gerhardts Lied, entstanden am Ende des Dreissigjährigen Krieges, drückt tiefes Gottvertrauen aus. Der Kantatentext verwendet Strophen 1, 5 und 12 wörtlich und formt andere in Rezitative und Arien um. Bachs Komposition integriert den Choral vielfach und behandelt ihn abwechslungsreich.
Johann Sebastian Bach (1685-1750) schrieb die Kantate passend zu den damals genutzten Lesungen am Sonntag Septuagesimä. Deshalb kann der Inhalt der Kantate vom auf dieser Seite genannten Proprium abweichen.
Eine Werkeinführung und weiterführende Informationen zur Kantate finden Sie kostenlos auf Bachipedia.
Mit freundlicher Unterstützung durch die J. S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz. www.bachstiftung.ch